Besuch der 10.Klassen in der Gedenkstätte SS-Sonderlager/KZ-Hinzert
Am 8. Mai 2012 fand der Unterrichtsbesuch der Klassenstufe 10 des Göttenbach-Gymnasiums in der Gedenkstätte „SS-Sonderlager und KZ-Hinzert“ statt.
Bei der Ankunft fiel uns direkt das groteske Äußere des Gebäudes inmitten der sonst so idyllischen Landschaft auf; die Ästhetik des Seminargebäudes dient der Zerstörung dieser Idylle, um auf die Umstände der damaligen Situation im KZ aufmerksam zu machen.
Im ersten Moment waren wir etwas enttäuscht, da wir uns erhofft hatten, man könne die Baracken noch sehen und eventuell sogar das ehemalige KZ komplett besichtigen, damit wir uns die damalige Zeit und die Qualen besser vorstellen könnten. Wir hatten insgesamt eine viel schrecklichere und verstörendere Location erwartet; dennoch gingen wir der Besichtigung aufgeschlossen und interessiert entgegen.
Zu Beginn begaben wir uns ins Seminargebäude, wo wir einige allgemeine Informationen zum KZ Hinzert erhielten. Das Gelände und Gebäude waren so gestaltet, dass es von Weitem schön und harmlos wirkte und nicht auf die Zustände und Taten innerhalb des Gebäudes schließen ließ. Die Bezeichnung Sonderlager erhielt es auf Grund der vielen verschiedenen Sonderfunktionen, die es erfüllte, und als KZ muss es bezeichnet werden, da es der Inspektion der Nationalsozialisten unterstand. Es gab jedoch weder Krematorium noch Gaskammer.
Die Auswahl Hinzerts als KZ-Ort war einerseits Zufall und beruhte andererseits auch darauf, dass die Baracken, die ehemals als Übernachtungsmöglichkeit und dann als Disziplinarmaßnahme für Arbeiter dienten, nach deren Abbrennen 1939 als Strafanstalt neu errichtet worden waren. Das Lager war für 560 Häftlinge vorgesehen, beherbergte jedoch häufig über 1000 Gefangene. 321 Menschen wurden in Hinzert ermordet, die Dunkelziffer liegt jedoch bei etwa 1000.
Nach 1945 wurde das KZ-Lager von den französischen Besatzungssoldaten abgetragen und versteigert. Die historische Aufarbeitung ist noch nicht abgeschlossen, und wegen Aktenvernichtungen fehlen manches Mal Beweise.
Während der Führung wurde insbesondere auf die Häftlinge und deren Schicksale eingegangen. Wir hatten erwartet, unter den Häftlingen wären mehr Juden gewesen. Doch anfangs waren in Hinzert vor allem Deutsche gefangen, die als „Assis“ bezeichnet wurden, weil sie sich undiszipliniert benommen hatten; später waren die Inhaftierten vorwiegend Zwangsarbeiter und widerständige Franzosen, deren Haftzeit durchschnittlich drei bis sechs Monate betrug, bevor sie weiter deportiert wurden und sich ihre Spuren häufig verloren.
In der Ausstellung im Seminargebäude lasen wir von vielen Schicksalen. So vom jüngsten Häftling, Dimitri Pitrejanko, der als Vierzehnjähriger schon Zwangsarbeiter war und von seinem Arbeitsplatz fliehen wollte, woraufhin er in ein Außenkommando des Lagers Hermeskeil kam, von wo er erneut zu fliehen versuchte, jedoch im Wald gefunden wurde. Vermutlich starb er in einem großen KZ.
Uns wurde aber ebenso die Rolle der Täter illustriert. Josef Brendel beispielsweise leitete in Abwesenheit des Lagerarztes das Krankenrevier, wobei die Versorgung der Kranken von seiner Laune abhängig war; er schlug Schwerstkranke, trat sie und führte eigene Operationsversuche an ihnen durch.
Erwartungsgemäß kam innerhalb der Führung den Torturen der Häftlinge besonders viel Bedeutung zu. Wegen der Grausamkeiten und extremen Gewaltbereitschaft der meisten Aufseher kam es im Lager auch nicht zu Gefangenenaufständen.
Das KZ Hinzert war ein sog. Lauflager, d.h. alles musste im Laufschritt erledigt werden. Auch das dauerhafte Hungern wurde als Disziplinierungsmaßnahme und Machtinstrument genutzt. Charakteristisch für den Lageralltag waren zudem willkürliche Tötungen, öffentliche Misshandlungen und die Zwangsarbeit. Auch außerhalb des Lagers mussten die Gefangenen harte körperliche Arbeit unter schweren Bedingungen mit schlechtem Werkzeug verrichten.
Dass die Bevölkerung von den schrecklichen Misshandlungen wusste, hatten wir nicht erwartet. Es gab jedoch auch Teile der Bevölkerung, die gegen die Missstände protestierten.
Auf dem Ehrenfriedhof der Gedenkstätte, auf dem sich auch die 1948 vom strafversetzten Pfarrer Martiniere errichtete Sühnekapelle befindet, stehen 217 Kreuze, obwohl dort noch mehr Opfer begraben liegen. Martiniere errichtete auch das Mahnmal, das die Solidarität der Häftlinge untereinander und eine leere Essensschale, die den Hunger symbolisiert, darstellt. Vor allem die Sühnekapelle und der Gedenkfriedhof sind interessant und erfüllen ihre Funktion zum Gedenken an die Toten.
Das Seminargebäude ermöglicht durch die Ausstellung, die mit Bildern, versteckten Schubladen, Interviews mit Zeitzeugen (ein guter Ausgleich dafür, dass die Zeitzeugen gesundheitlich leider nicht mehr in der Lage sind, die Gedenkstätte zu besuchen), Zitaten, persönliche Leidensgeschichten der Häftlinge usw. gute Einblicke. Jedoch ist die Ausstellung recht umfangreich und war in der für uns vorgesehenen Zeit nicht wirklich zu erfassen, da man durch das viele Geschriebene schnell die Lust verlieren kann. Deswegen haben die Rundführung mit dem kompetenten Mitarbeiter, das Gespräch mit ihm und die offenen Fragerunden meiner Meinung nach die Ausstellung gut ergänzt.
(Julia Fickermann, 10b)